Leon Roth
Free 41+ eGift Cards
Die Arbeit > FREE! 41+ eGift Cards des Künstlers Leon Roth übersetzt Gamedesign-Mechanismen in einem dezidiert nicht spielbezogenen Kontext. Im Mittelpunkt steht dabei der Tauschwert Geld, das in Form von Geldgutscheinen kontextualisiert wird.
Die erste Ebene der Arbeit setzt sich mit dem Motivator Belohnungssystem auseinander. Besonders in Spielen, auf Crowdsourcing-Plattformen und in Unternehmen ist der Einsatz von Belohnungssystemen einer der effektivsten Motivatoren, erzeugen sie doch ein Gefühl von Kompetenz, Beteiligung und Autonomie. Diese Methode der Spielgestaltung in einem nicht spielspezifischen Kontext wird als Gamification bezeichnet. Viele der heute entstehenden Plattformen nutzen diesen Ansatz, um gewünschte Verhaltensweisen von Nutzer:innen in einem spielähnlichen System zu animieren und anschließend zu belohnen. Bezahlte Crowdsourcing-Plattformen wie beispielsweise Amazon Mechanical Turk[1] setzen diese Art von Strategien für ihre monotonen Mikroaufgaben ein, die daraus bestehen, dass Menschen für einen Mindestlohn eine KI trainieren. Die daraus entstehenden Datensätze werden in überwachte maschinelle Lernmodelle eingespeist, die dann in der Lage sind sich weiterzuentwickeln. Ein Beispiel wäre das Transkribieren von Audiodateien für Amazon Alexa.
Die zweite Ebene von > FREE! 41+ eGift Cards widmet sich der Abstrahierung von Geld. Beim Papiergeld ebenso wie bei der Geschenkkarte, auf der Geld in Codeform abgelegt wird, handelt es sich um einen Tauschwert von bestimmter Höhe, der in andere Werte eingetauscht werden kann. Währungen und Zahlungsmittel sind in den letzten Jahren immer weniger konkret und immer abstrakter geworden. Beispiele dafür sind der Übergang vom Bargeld zu Debit, elektronischen Überweisungen [wie PayPal] oder Kryptowährungen. Die Abstraktion des Geldes hat im Endeffekt zu einem Anstieg des Konsumverhaltens geführt.
Die Arbeit > FREE! 41+ eGift Cards nutzt zum einen das System kostenloser Gutscheincodes um Belohnungssysteme zu untersuchen, und dabei auch das Thema Lebenszeit in Verbindung zum Internet in den Fokus zu rücken. Für viele User:innen ist es reizvoll, im Internat nach Angeboten oder Schnäppchen zu suchen, um letztlich Geld zu sparen und mehr konsumieren zu können. Darüber hinaus vermittelt diese Suche das Gefühl von Kompetenz, hat man doch ein System durchdrungen und für sich nutzen können. Dass diese Handlung aber auch schnell Anhängigkeiten schafft, wird dabei oft ausgeblendet. Andererseits besteht eine Abhängigkeit von diesem System, die in keiner Weise greifbar oder beeinflussbar ist, angefangen beim abstrakten Titel und der irreführenden Gestaltung des Startmenüs, das ein anderes Werteverständnis implementiert. Die Architektur der Website von > FREE! 41+ eGift Cards basiert auf eben diesen bereits erläuterten Konzepten.
Das Spiel funktioniert folgendermaßen: Alle 41+ Geschenkkarten haben einen gemeinsamen Wert von 500 €. Die Teilnahme gleicht einer Schatzsuche mit potenziell lohnenden Fundstücken. Die User:innen müss darin einen Screenshot zu machen, um den digitalen Code in ein physisches Objekt zu verwandeln. Dadurch, dass nur blanke Gutschein-Codes entkoppelt vom Ursprung sichtbar sind, ist die Suche nach dem passenden Gegenstück zeitaufwendig und setzt ein gewisses Engagement voraus. User:innen gehen auf dieser Suche einen individuellen Weg durchs Internet, welcher dank HTML-Cookies Spuren hinterlässt und sie letztlich zu einer Belohnung oder einer Enttäuschung führt. Zurück bleiben investierte Lebenszeit und eine monetäre Verbindung zum Projekt.
[1] Amazon Mechanical Turk ist eine Crowdsourcing-Website, auf der Unternehmen "Crowdworker:innen" aus der Ferne einstellen können, um diskrete On-Demand-Aufgaben auszuführen, die Computer derzeit nicht ausführen können. Es wird unter Amazon Web Services betrieben und gehört Amazon.
Leon Roth, geboren 1998 in München, studiert bildende Kunst an der HFBK Hamburg in der Klasse von Prof. Simon Denny [zeitbasierte Medien]. Derzeit schreibt er seine Bachelorarbeit über die Symbolik von tech-fetischisierten Produkten in Natur Kultur und arbeitet an einer Blockchain inspirierten Skulptur für die Gruppenausstellung der Klasse Denny im Kunstverein Baden Baden.