Seit 10.1. 2022

Jakob Sitter

postBreeder

postBreeder von Jakob Sitter ist eine In-Browser-Arbeit, die von einem sich ständig weiterentwickelnden KI-System gestützt wird.

Sie lehnt sich an die biologische Evolution etwa in Form von Viren an, die lernen, Algorithmen oder Systeme, innerhalb derer sie operieren, zu zerstören. Ob Facebook-Algorithmen oder Online-Politik: Bestimmte Computersysteme werden dezidiert in ihrer Replikation und Imitation biologischer Systeme untersucht.

Die Art und Weise, wie wir Inhalte aufnehmen, hat sich in den letzten Jahren durch die revolutionäre Weiterentwicklung des maschinellen Lernens enorm verändert. Lineare Feeds, die früher der Standard waren, wurden durch maßgeschneiderte, von einem Algorithmus zusammengestellte Feeds ersetzt. Vereinfacht ausgedrückt, analysieren die Algorithmen riesige Datenmengen, um Korrelationen zwischen Inhalten und deren statistischem Feedback zu finden. Diese Art von Ranking wird sowohl auf individueller als auch auf allgemeiner Ebene eingesetzt. Das bedeutet, dass jene Inhalte, von denen die meisten Reaktionen der Nutzer:innen zu erwarten sind, priorisiert werden, damit die Plattform so viele Klicks wie möglich generieren kann. „Guter” Inhalt ist entsprechend gleichbedeutend mit dem, was sich besser verkauft: Das stärkste Genom überlebt.

postBreeder untersucht diese Phänomene und zieht dabei Verbindungslinien zu biologisch-evolutionären Systemen und zur Datenbewertung. Die Arbeit läuft auf einem benutzerdefinierten Modell von GPT-2 (Generative Pre-trained Transformer 2, eine open-source KI), das mithilfe tausender Facebook-Posts trainiert wurde. Zweimal am Tag wird eine neue Generation von „Beiträgen” generiert und auf Basis desselben Datensatzes von Nutzer:innen-Reaktionen bewertet. Die Besucher:innen können auf Beiträge reagieren, wie sie es von Facebook kennen. Nach jeder Erstellung werden die Beiträge von einem genetischen Algorithmus sortiert, wobei nur die Hälfte mit den meisten Likes und Reaktionen „überlebt". Diese werden dann exportiert und aktualisieren den Ursprungspool, sodass die nächsten Beiträge näher an den favorisierten Beiträgen der letzten Runde liegen. Über mehrere Datensätze hinweg wird die KI zur Texterstellung mit den erfolgreichsten Inhalten gefüttert. Auf dieser Grundlage werden dann neue Inhalte generiert, sodass die Leistung in Bezug auf „Likes“ letztlich immer höher wird, da Kombinationen entstehen, die dem System die höchstmögliche Belohnung einbringen. Nutzer:innen können mit ihren Reaktionen auf die Beiträge gezielt die Rangordnung ändern und beeinflussen und bestimmen so aktiv mit, wie das Material der nächste Generation aussehen wird.

Einer der wichtigsten „Vorteile” des vom Algorithmus kuratierten Feeds besteht darin, dass er in der Lage ist, die Inhalte so zu steuern, dass der Gewinn maximiert wird. In postBreeder bestimmt die Anzahl der Reaktionen den Wert des jeweiligen Beitrags, wodurch die generierten Inhalte effektiv zu einer Währung werden. Nach jeder Erstellungsphase werden die „überlebenden” Beiträge in Form von NFTs auf der Polygon-Blockchain und auf OpenSea bereitgestellt und geprägt, wo sie dann zu erwerben sind. Das Projekt verbindet das Web 2.0 mit dem Web 3.0 und versucht, Inhalte auf Grundlage von Algorithmen und Nutzerarbeit in dauerhafte Vermögenswerte zu verwandeln.

Während sich die Sprache zur Beschreibung dieser Prozesse immer ähnlicher wird, stellt sich die Frage, ob oder wie lange sie noch als separate Strukturen betrachtet werden können. Wenn Facebook-Posts (und Online-Informationen/Memes im Allgemeinen) Teil eines größeren Systems sind, in dem sie mutieren und sich vermehren, um am Leben zu bleiben, könnte man sie ähnlich wie Computerviren als künstliche Organismen bezeichnen. Es stellt sich insofern auch die Frage, was das über uns als Schöpfer:innen wie auch Bewahrer:innen einer solchen Struktur aussagt, innerhalb deren wir im Grunde lernen, Voraussagen über uns selbst und unsere Umgebung zu tätigen.

Die Arbeit postBreeder finden Sie hier.

CV

Jakob Sitter wurde 1998 in Trondheim, Norwegen, geboren und studiert seit 2018 an der Hochschule für Bildenden Künste Hamburg bei Simon Denny.

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